Kräuterkunde: Die Brennnessel

Zeichnung einer Brennnessel

Wie schon mein Logo erkennen lässt, habe ich eine besondere Verbindung zur Brennnessel, die - vollkommen zu Recht - auch Königin der Wildpflanzen genannt wird.

So wie es vermutlich vielen geht, sind meine Kindheitserinnerungen an Begegnungen mit der Brennnessel nicht allzu positiv… Ich erinnere mich da an ein mühsam erklettertes Baumhaus (da ich ein sehr vorsichtiges und nicht allzu mutiges Kind war), bei dem ich oben mit Erschrecken feststellen musste, dass der Abstieg tatsächlich noch schwieriger ist als der Aufstieg… und dann endete er natürlich in einem großen Brennnesselfeld - autsch!

Ein paar Jahre später im Zeltlager resultierte eine volle Blase am Lagerfeuer in einer Begegnung mit einer Brennnesselpflanze im dunklen Wald…ja, mit blankem Hintern… das brannte dann nachts im warmen Schlafsack nochmal so richtig fies.

Also begleitete mich durch meine Kindheit und Jugend die weit verbreitete Abneigung gegen diese allgegenwärtige Pflanze.

 
 

Wenn man aber ein Interesse an Heilpflanzen hat und sich an die heimischen Wildpflanzen annähert, kommt man um die Brennnessel nicht herum!

Und so schafften wir einen Neuanfang - die Brennnessel und ich - und übers Zeichnen und genaue Hinschauen (habt ihr schonmal gesehen, wie die Pollen aus der männlichen Brennnessel herausexplodieren? Wusstet ihr überhaupt, dass Brennnesseln weiblich und männlich sind?), übers bewusste Anfassen einer Brennnessel ohne Handschuhe, übers Ausprobieren von Rezepten und Heilanwendungen hat sie mich in mein erstes und seeehr tiefes Pflanzen-Rabbithole geschubst…und ich falle immernoch! Freudig und mit staunend aufgerissenen Augen.

Mittlerweile ist mir die Brennnessel sehr vertraut und ich bin immer wieder erstaunt wenn mir Menschen begegnen, die sie geradezu hassen oder fürchten. Dabei ist sie eine Begleiterin der Menschen seit Urzeiten. Ein paar Belege dafür kennen wir. Beispielsweise “Ötzi” (der vor etwa 5000 Jahren gelebt hat) hatte die Federn an seinen Pfeilen mit Brennnesselfasern befestigt. Brennnesseln wurden schon sehr früh als Faserpflanze genutzt- es wird vermutet, dass nicht wenige der richtig alten textilen Fundstücke nicht nur aus Flachs sondern oft auch aus Brennnesselfasern bestehen. Ebenso wurde die Brennnessel aber sicherlich auch schon lange als Nahrungs- und Heilpflanze verwendet.

Es verwundert mich, wenn die Brennnessel gar nicht erkannt oder mit anderen Pflanzen verwechselt wird. Deshalb zeige ich sie euch erst einmal, bevor ich euch erzähle, was man alles mit ihr anstellen kann.

 

Die große Brennnessel (Urtica dioica)

Weltweit gibt es einige Brennnesselarten, bei uns kommen vor allem die Große Brennnessel (Urtica diocia) und die Kleine Brennnessel (Urtica urens) vor.

Ich zeige euch hier die Große Brennnessel:

Ihr wissenschaftlicher Name gibt uns schon erste Hinweise auf ihre Merkmale. Urtica heißt “die Brennende” und dioica weist auf ihre Zweihäusigkeit hin. Das bedeutet, dass es männliche und weibliche Exemplare der Pflanze gibt (die Kleine Brennnessel ist einhäusig, trägt also männliche und weibliche Fortpflanzungsorgane an der selben Pflanze).

Die Brennnessel wächst aufrecht und kann 1,5 - 2 m groß (und sogar noch höher) werden.

Der Stängel ist vierkantig, an ihm sind die Blätter gegenständig angeordnet.

Die Blätter sind eiförmig, laufen spitz zu, haben einen gesägten Rand und werden bis zu 5 cm groß.

Am Stängel und an den Blättern befinden sich Brennhaare.

Die Blütenstände entspringen den Blattachseln.

Weibliche Blüten/ Samen: Samenstände hängen (im Reifestadium) in Büscheln nach unten, die kleinen Nussfrüchte sind grün, eher flach, kantig und nach außen hin spitz zulaufend, reif werden sie braun.

Männliche Brennnessel: Blütenstände stehen aufrecht oder waagerecht von der Pflanze ab, die Blüten sind hell und rund wie kleine Kügelchen. Bei trockenem und warmem Wetter explodieren die Blüten geradezu und entlassen Pollen in die Luft. Das lässt sich mit etwas Geduld und genauem Hinschauen auch gut beobachten.

weibliche Brennnessel

Weibliche Brennnessel mit Früchten

Brennnesselsamen unter dem Mikroskop

Brennnesselsamen, unreif (Mikroskopbild)

männliche Brennnessel

Männliche Brennnessel mit Blüten

männliche Brennnesselblüten, mit Pollen gefüllt

männliche Brennnesselblüten, mit Pollen gefüllt (Mikroskopbild)

Der Wurzelstock ist ausdauernd, die Wurzeln sind sehr fein und lang und gelblich.

Eine Verwechslung wäre zum Beipiel möglich mit den Blättern von Taubnesseln und Melisse. Wuchsform und Blüten sehen aber ganz anders aus und spätestens durch die fehlende Brennwirkung sollte die Verwechslung auffallen. Taubnessel und Melisse sind aber ebenfalls essbar und eine Verwechslung wäre nicht schlimm.

 

“Was brennt ums ganze Haus und’s Haus verbrennt doch nit?”

Dieses alte Rätsel weist zum einen darauf hin, dass die Brennnessel als Kulturfolgerin gerne in der Nähe des Menschen (rund ums Haus) wächst. Sie mag nährstoff- und vor allem stickstoffreiche Böden und davon gibt es in menschlichen Siedlungen und Kulturlandschaften reichlich…

Zum anderen ist es ein deutlicher Hinweis auf die wohl bekannteste und meist gefürchtete Eigenschaft der Brennnessel: die Brennwirkung auf der Haut!

Nahaufnahme eines Brennnesselstängels mit Brennhaaren

Unter dem Mikroskop sind die Brennhaare am Stängel deutlich zu erkennen.

Zur Abwehr allzu gefräßiger Tiere hat die Brennnessel eine recht wirksame Abwehrmethode. Am Stängel und auch unter den Blättern trägt sie feine Brennhaare, die mit einer Flüssigkeit gefüllt sind. Diese setzt sich unter anderem zusammen aus Histamin, Ameisensäure und schlangen- und bienengiftähnlichen Wirkstoffen. Das klingt nicht angenehm und tatsächlich wirkt die Brennflüssigkeit hautreizend (manchmal bilden sich richtige Quaddeln). Vor allem bei einer Histaminunverträglichkeit kann die Berührung der Brennnessel sehr unangenehm sein, grundsätzlich ist es aber nicht gefährlich, sich an ihr zu “verbrennen” und das unangenheme Gefühl lässt recht schnell und ohne bleibende Wirkung wieder nach.

Aber wie funktioniert das Ganze überhaupt? Auf meinem Mikroskop-Foto sind deutlich die Brennhaare zu erkennen, die ein spitzes “Köpfchen” besitzen, in dem die Flüssigkeit zu sehen ist. Dieses “Köpfchen” bricht bei Berührung ab und bildet dann eine schräge Spitze am Brennhaar (ähnlich wie bei einer Kanüle). Die Flüssigkeit kann dadurch geradezu in die Haut injiziert werden. Unter dem Mikroskop habe ich mir angeschaut, wie das aussieht und tatsächlich ist die Flüssigkeit bei leichtem Druck auf das Brennhaar deutlich sichtbar in der durchsichtigen Spitze aufgestiegen.

Bei festem Druck bricht das Brennhaar schnell ab und das ist auch der Trick wenn man die Brennnessel verwenden möchte. Bei der Ernte einer Brennnessel kann man sich natürlich mit Handschuhen schützen, erfahrungsgemäß verbrennt man sich dann aber gerne an der Nachbarbrennnessel am Arm, man sollte also sehr achtsam ernten. Da die Brennhaare eher nach oben geneigt wachsen, kann es hilfreich sein, die Brennnessel von unten nach oben zu greifen und zu pflücken. Durch einen herzhaften Griff brechen die Brennhaare schnell ab und werden dadurch unschädlich, also nicht zu zaghaft vorgehen.

Erfahrungsgemäß verbrennt man sich aber immer zumindest ein kleines bisschen. Mich stört das mittlerweile kaum noch und ich trage nur Handschuhe, wenn ich eine größere Menge an Blättern oder Stielen brauche. Zudem scheinen sie auch abhängig von Tageszeit und Wetter unterschieldich stark zu brennen (oder hängt es mit der Gemütslage zusammen?). An einem Tag merke ich bei meinen Brennnesseln im Vorgarten nichts und am nächsten Tag brennen die Hände Stunden später noch (oder wieder). Da hilft dann manchmal nur noch der Gedanke, dass die Brennflüssigkeit durchaus hilfreich sein kann - bei rheumatischen Beschwerden zum Beispiel - und dass es Menschen gibt, die auf die so genannte “Urtifikation”, also das absichtliche Bestreichen der Haut mit frischen Brennnesseln, schwören.

Das reizt mich jetzt nicht so sehr, auch wenn ich das leichte Prickeln an den Händen ganz gerne mag. Zum Essen, für Heilzwecke und zur Fasergewinnung nutze ich die Brennnesseln aber gerne. Dabei mache ich mir das Abstreifen der Stängel (mit Handschuhen) und Überwalzen der Blätter (zum Beispiel mit einem Nudelholz) zu Nutze. So werden die Brennhaare zerstört. Auch durch das Kochen verfliegt die Brennwirkung und die Brennnesselblätter können bedenkenlos verzehrt werden.

Als gute erste Hilfe Maßnahme bei Brennesselkontakt kann man Spitzwegerichblätter zerdrücken und den austretenden Saft auf die betroffene Hautstelle reiben. Das Aucubin im Spitzwegerich kann entzündungshemmend und antibakteriell wirken und damit die Haut kühlen, den Juckreiz/ das Brennen und die Schwellung mindern. Ich setzte mir jedes Jahr eine Spitzwegerich-Tinktur an für diese Zwecke.

Raupen an einer Brennnessel

Viele hungrige Raupen an einer Brennnessel

Aber nicht nur für uns Menschen ist die Brennnessel eine wertvolle Nahrungspflanze, auch so manches Tier ist auf sie angewiesen.

So gibt es über 50 Schmetterlingsarten, die ihre Eier auf der Brennnessel ablegen und deren Raupen von ihr als Futterpflanze abhängig sind. Zum Beispiel der Kleine Fuchs und das Tagpfauenauge.

 

Zusammenfassend kann ich also sagen, dass die Brennnessel eine spannende und wertvolle Pflanze ist, die den Menschen schon immer begleitet hat. Legen wir unsere Scheu vor ihr ab und schauen uns an, was man alles mit ihr anstellen kann… Hier wird es in nächster Zeit noch so manchen Artikel über meine Experimente mit ihr geben und auch im Lädchen könnt ihr immer wieder Produkte aus/ mit Brennnesselfasern finden.

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